Für viele Menschen ist es eine klare Gewissheit: Die Lehren des Buddha sind unbezahlbar. Die Einsichten, die sie vermitteln, und die praktischen Hilfen, die sie anbieten, sind in ihrem Wert mit nichts anderem vergleichbar. Sie sind, was ihren Kerngehalt angeht, tatsächlich einmalig.
Umso glücklicher können wir uns schätzen, dass die Worte des Erwachten rund 2.500 Jahre mit großer Sorgfalt - erst mündlich und dann in schriftlicher Form - weitergegeben wurden und die in ihnen enthaltene Botschaft bis heute bewahrt geblieben ist. Aber mehr noch: Diese Reden, Dialoge und Berichte sind nicht nur als historische Dokumente Wissenschaftlern und wenigen Spezialisten in ihrem Pali-Original, sondern in einem großen Umfang für jeden Interessierten in deutscher Sprache zugänglich.
Ende des 19. Jahrhunderts begann eine rege und fruchtbare Übersetzertätigkeit, die den Grundstein dafür legte, dass der Buddhadhamma auch bei uns eine Heimat finden konnte. Zu den großen Pionieren unter den deutschen Buddhisten des 20. Jahrhunderts gehörten der Ehrwürdige Nyanatiloka und der Ehrwürdige Nyanaponika. Die beiden Mönche in Sri Lanka fanden schnell auch als herausragende Gelehrte und Vermittler der Lehren des Erwachten internationale Anerkennung.
Zu ihrem bleibenden Erbe gehört die Übersetzung des Anguttara Nikaya, der zahlreiche meist kürzere Lehrtexte enthält. Sie richten sich an die Mönche und Nonnen des Buddha, aber auch wie keine andere Sammlung an seine Laienanhänger und Laienanhängerinnen. Die Darlegungen decken ein breites Spektrum von Lehraspekten ab. Sie geben Antwort auf viele alltagsnahe Fragen und berühren ebenso tiefste existenzielle Wahrheiten.
Der Anguttara Nikaya, die „Angereihte Sammlung" der Lehrreden des Buddha, trägt seinen Namen aufgrund der besonderen Art der Ordnung der verschiedenen Sutten. So ist im Einer-Buch jeweils ein Thema Gegenstand der Betrachtung, im Zweier-Buch sind es zwei und so fort bis zum Elfer Buch. Der Ehrwürdige Nyanatiloka veröffentlichte 1907 zunächst das Einer-Buch, und erst 1922 konnte eine erste Gesamtausgabe aller elf Bücher erscheinen. Seinem Schüler, dem Ehrwürdigen Nyanaponika, fiel die Aufgabe zu, die Neuausgabe von 1969 zu betreuen. In sie sind solche Änderungen eingegangen, die der Erstübersetzer schon zu Lebzeiten selbst vorgenommen hatte, wie auch weitere Korrekturen und Verbesserungen seitens des späteren Herausgebers. Wer darin liest, wird feststellen, wie erstaunlich modern diese Übertragung war und geblieben ist. Inzwischen sind auch die 3. überarbeitete Auflage von 1984 und ein Nachdruck von 1993 vergriffen.
Die jetzt vorliegende Neuausgabe orientiert sich an der letzten verfügbaren Fassung. Der Verlag hat sich aber entschlossen, die ursprünglichen fünf Bände in einen einzigen zusammenzufassen und dem Anguttara Nikaya eine vergleichbare Form und Ausstattung zu geben wie den anderen bereits vorgelegten Sammlungen. Allerdings wäre der Aufwand unverhältnismäßig gewesen, den gesamten Text neu zu setzen und die zahlreichen Anmerkungen sowie das umfangreiche Register einer anderen Seitenzählung anzupassen. Dem Leser wird es keine Mühe bereiten, sich auch so zurechtzufinden und seinen Nutzen aus den wegweisenden und befreienden Worten des Buddha zu ziehen.
Es sei noch angemerkt, dass im selben Verlag 2006 eine kommentierte Neuübersetzung des Einer- und Zweierbuches von Hellmuth Hecker erschienen ist. In ihr werden neben einer abweichenden Suttenzählung einige Kernbegriffe anders oder präziser übersetzt. Hecker sagt „der Erwachte" statt der „Erleuchtete". Außerdem sieht er in den zentralen Paliworten citta, mano und ceto keine Synonyme und gibt sie mit Herz, Geist und Gemüt wieder. Aus gesundheitlichen Gründen konnte diese Arbeit nicht abgeschlossen werden.
Traditionell heißt es, dass von den Lehrreden des Buddha der Anguttara Nikaya als erster in Vergessenheit geraten wird. Der Verlag Beyerlein & Steinschulte hat mit seiner Initiative dafür gesorgt, dass das jedenfalls vorerst nicht der Fall sein wird. Mit diesem Band rundet er zudem sein umfangreiches Angebot ab und hat damit etwas erreicht, was es im deutschsprachigen Raum so noch nicht gegeben hat. Er kann alle vier Sammlungen aus dem Suttapitaka vollständig und aus der fünften Sammlung die wichtigsten Teile anbieten.
Alfred Weil, 19.9.2013