Menschliche Sichtweisen, Einstellungen und Verhaltensformen sind bedingt. Aus buddhistischer Sicht sind sie angeeignet, sind sie erlernt. Auch solche wie Rücksichtslosigkeit, Rohheit, Gewaltsamkeit (im Folgenden im weitesten Sinn verwendet; Pali vyapada und vihimsa). Dabei ist die Bedingtheit gewaltsamen Verhaltens eine doppelte. Es hat verschiedenartigste Anliegen, Wünsche, Bedürfnisse, Hoffnungen als unmittelbare, sichtbare Ursache. Und es hat eine falsche Sichtweise, eine grobe Fehleinschätzung der Realität als mittelbare, verborgene Ursache.
Der Buddhismus spricht realistischerweise vom „Werden", von Prozessen und nicht von einem statischen „Sein" der „Dinge". Wo also nichts im eigentlichen und absoluten Sinne „ist", kann alles „werden". Der Buddha konstatiert somit auch die Wandelbarkeit und Gestaltbarkeit der menschlichen Persönlichkeit bzw. seine Lernfähigkeit. Sie ist allerdings ambivalent, denn sie umfasst die Möglichkeit zum Besseren wie zum Schlechteren.
Die Aufgabe einer buddhistisch orientierten Pädagogik ist, die „heilsamen" menschlichen Potenziale zu entfalten. Im Hinblick auf den Einzelnen wie im Hinblick auf die Gesellschaft zeigt sie, wie unvorteilhafte Charakterzüge und Handlungsmuster „verlernt" und förderliche „erlernt" werden können. Ein Kernpunkt ist, Gewaltfreiheit als ein vieldimensionales und wohl begründetes Lernziel zu erkennen. Eine solche Pädagogik der Gewaltfreiheit spricht den ganzen Menschen und alle seine wesentlichen Lebensäußerungen an: Wahrnehmen, Denken, Wollen und Handeln. Der Buddha hat dies so zum Ausdruck gebracht:
„Höre auf, Böses zu tun,
Wende Dich dem Guten zu.
Läutere Herz und Geist.
Dies ist die Lehre des Buddha."
(Der Buddha; Dhammapada, Vers 183 - Übersetzung: Munish B. Schiekel)
In vielen Lebenssituationen wird Gewalt - je nach Situation in unterschiedlichen Graden - bewusst eingesetzt, akzeptiert oder wenigstens in Kauf genommen, wenn es um den eigenen Vorteil, das eigene Glück, die eigene Zufriedenheit geht.
Der „harmloseste" Fall sind blinde Rücksichtslosigkeit und naive Egozentriertheit. Wir schaden jemandem oder tun ihm weh, ohne eigentlichen Vorsatz oder Böswilligkeit. Wir eilen im Gedränge des Alltags vorwärts und merken nicht, dass und wem wir immer einmal wieder auf den Fuß treten.
Ärger und Zorn in frustrierenden Situationen zu empfinden und ihn auszuleben, ist eine nächste Eskalationsstufe. Wird die Realisierung von Wünschen, Absichten und Sehnsüchten durch irgendetwas oder irgendwen durchkreuzt, entstehen Widerwille, Zorn, Abwehr. Wie oft lassen wir eine aggressive Reaktion zu, wenn wir uns bedroht oder beeinträchtigt fühlen. Wie gern halten wir eine solche Reaktion in Richtung und zum Nachteil des vermeintlichen Verursachers für berechtigt.
Gezielte und nachhaltige Versuche, mit manifesten gewaltsamen Handlungen eine Verbesserung der eigenen Lebenssituation zu erreichen, stellen eine weitere und neue Qualität dar. Sie leben von der Absicht, seinem Haben- und Genießen-Wollen auf jede Art und Weise zum Erfolg zu verhelfen. Gewaltsamkeit wird als ein zielführendes, mehr oder weniger unumgängliches und angemessenes Mittel bei der Erfüllung des Wunsches nach Leben und Entfaltung legitimiert.
Aus buddhistischer Sicht liegt besonders im letzten und extremen Fall ein fundamentaler Irrtum vor. Gewalt bringt dem ins Auge gefassten persönlichen Ziel - Glück, Erfüllung, Zufriedenheit - niemals näher. Weder aggressives körperliches Handeln noch verletzendes Reden können das. Dasselbe gilt für jede emotionale Ab- oder Gegenwendung, für alles Denken und Wollen mit Schädigungsabsicht.
Einem verführerischen anderen Anschein zum Trotz ist Gewaltsamkeit stets von Nachteil. Tatsächlich ist der Leidtragende nicht nur das „Opfer" von Aggression, sondern ausnahmslos auch der Täter. Gewalt kehrt, so eine buddhistische Grunderfahrung, in vielfältiger Weise immer zu ihrem Ausgangspunkt, dem Akteur zurück. Das mag früher oder später, direkt oder indirekt, mehr oder weniger sichtbar geschehen. Der Gewalt Ausübende wird die Qualität seines Tuns selbst erleben, er muss dessen schmerzliche Folgen tragen.
Zunächst: Gewaltausübung beeinflusst und verändert den Täter zum eigenen Nachteil. Gewaltakte, die ohnehin auf einem latenten oder akuten inneren Unfrieden basieren, belasten das seelische Lebensklima nur noch mehr und vergiften es zusätzlich. Unbefangenheit und Offenheit im Umgang mit anderen gehen verloren, eine Haltung von Misstrauen und Angst breitet sich aus. Jeder Aggressor setzt sich, wenn auch meist von ihm unbemerkt, einer wachsenden inneren Spannung aus, der er ja eigentlich entfliehen will. Seine innere Disharmonie vertieft sich, statt zu weichen, und findet nicht selten in psychosomatischen Symptomen sogar einen körperlichen Ausdruck.
Gewaltsamkeit verändert ebenso die menschliche Umwelt bzw. deren Reaktion zum Negativen. Der Täter ruft fast zwangsläufig individuelle und gesellschaftliche Ab- und Gegenwehr hervor: Zumindest ein von unterschwelliger Aggression und Feindseligkeit beschwerter Alltag bleibt nicht aus. Isolation und soziale Ächtung, Strafe oder gar die Erfahrung von massiver Gegengewalt kommen hinzu. Weiter reichende Konsequenzen am Ende einer langen Kette von entsprechenden Bedingungen tragen die Namen Terrorismus und Krieg. Wie bei allen erlernten Verhaltensweisen gilt: Vereinzelte Handlungen werden schleichend Gewohnheiten und diese früher oder später blinder Automatismus. Die Abwärtsspirale dreht sich.
Der Hintergrund für diese Einschätzung ist die buddhistische Karma-Lehre, die den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Handeln und Erleben beschreibt. Sie konstatiert: Es gibt kein absichtsvolles Denken, Reden oder Handeln ohne entsprechende „innerlich" und „äußerlich" erkennbare Konsequenzen. Diese erlebten Folgen stimmen stets mit der Qualität einer Tat überein. Die Welt zeigt sich ihr entsprechend aggressiv oder wird als aggressionsfrei empfunden. Die persönliche Befindlichkeit wie die erfahrene Umweltsituation sind je nach dem harmonischer oder disharmonischer. Gewaltausübung und Gewaltbereitschaft schließen also per se dauerhaften inneren und äußeren Frieden aus, von möglichem spirituellem Wachstum und Reife ganz abgesehen.
So ergeben sich aus buddhistischer Perspektive in einem ersten Schritt als Lernziele: Gewaltsamkeit als unbrauchbare, ja kontraproduktive Haltung zu durchschauen; existenzielle Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu verstehen und im Kontext des eigenen Lebens zu entdecken; sowie Alternativen zu Gewaltsamkeit kennen, formulieren und schätzen zu lernen.
Eine einmalige und eine lediglich intellektuelle Einsicht in einen Sachverhalt sind nicht genug. Die bloße Information „Gewalt schadet" kann nur der Anlass, der Maßstab und die Triebfeder für nachhaltige Verhaltensänderungen sein.
Eine neue Einsicht muss wachsen und im Gedächtnis tief verankert, falsche Sichtweisen müssen dauerhaft durch realistische ersetzt werden. Das macht ein gezieltes und wiederholtes Umdenken und neue Denkgewohnheiten erforderlich. Praktisch sieht das so aus: Wenn in mir Gedanken von Ärger, Aggression und Feindseligkeit auftauchen, sollte ich sie als solche erkennen und sie nicht länger zulassen oder sie nähren, indem ich mich ihnen hingebe. Und umgekehrt gilt es, Vorstellungen von Freundlichkeit, Güte, Mitempfinden und universellem Wohlwollen mehr Raum zu geben, mit ihnen bekannter und vertrauter zu werden.
Neben der Umorientierung auf der Ebene des Wissens zielt die buddhistische Pädagogik auf die Neuausrichtung der Motivation. Andere Wertmaßstäbe und Lebensziele werden zu praktischen Leitlinien im Alltag. Konkret: Gewaltfreiheit als intellektuell befürwortete Norm und allgemeines Ideal entfaltet nur eine Wirkung, wenn ich sie aus innerer Überzeugung bejahe und für mich verbindlich werden lasse.
Hieraus ergeben sich als weitere Lernziele: Die eigene Motivationslage realistisch einschätzen, in Frage stellen und korrigieren zu können; Egozentriertheit, Grobheit, Antipathie, Aggressivität etc. zu durchschauen und bewusst zu verneinen und zu entwerten, sowie Rücksicht, Wohlwollen, Mitempfinden wertschätzen zu lernen und das Ideal der Gewaltfreiheit bewusst zur eigenen Sache zu machen.
Die Lehren des Buddha sind vom Geschmack der Gewaltfreiheit durchdrungen, auch in allen ihren praktischen Aspekten. So wird die Einsicht in die existenziellen Zusammenhänge zur Grundlage der buddhistischen Ethik. Sie umfasst die Regeln für das Sozialverhalten im Alltag, für den konkreten Umgang mit anderen Menschen. Es gilt die generelle Maxime, das eigene Leben nicht auf Kosten oder zum Schaden des anderen zu führen. Das erfordert, bestimmte Grenzen im Tun und Lassen nicht zu überschreiten bzw. die Interessensphären anderer angemessen zu berücksichtigen:
„Andere mögen Lebendes töten, wir wollen nicht töten;
andere mögen stehlen, wir wollen nichts nehmen, was uns nicht gegeben wird;
...
andere mögen boshaft sein, wir wollen bescheiden sein;
andere mögen falsche Ansichten haben, wir wollen rechte Einsicht haben."
(Der Buddha; Majjhima Nikaya 8 - Übersetzung: Kurt Schmidt)
Der Buddha konkretisiert diesen Anspruch in fünf Grundregeln (Pali panca sila), die alle zugleich das Prinzip des Gewaltverzichts beinhalten.
Körperliche Unversehrtheit zu achten und „nicht zu töten und nicht zu verletzen" hat die höchste Priorität. Die Unantastbarkeit von Leben, Leib und Gesundheit ist ein überaus hohes Gut, denn der eigene Körper wird von fast jedem am stärksten als „Ich" erlebt und ein gewaltsamer Eingriff hier am intensivsten und schmerzlichsten empfunden. Es folgt die Empfehlung, „nichts Ungegebenes zu nehmen" bzw. Besitz und Eigentum des anderen zu respektieren. Die berechtigten Grenzen von „mein" und „dein" dürfen nicht verwischt werden. Bezüglich der intimen zwischenmenschlichen Beziehungen gilt Ähnliches. Es geht darum, „keinen sexuellen Missbrauch zu begehen", d.h. die persönliche Integrität eines möglichen Sexualpartners zu bewahren und bestehende Vertrauensverhältnisse wie Ehe oder Freundschaft nicht zu (zer)stören. Der vierte Aspekt betrifft die möglichst gewaltfreie Kommunikation. Insbesondere eine grobe, diskriminierende, herabsetzende, demütigende oder verletzende Sprache ist tabu. Aber selbstverständlich auch, „in betrügerischer Absicht etwas Falsches oder Irreführendes zu sagen". Weil Wissen und Orientierung für ein unbeschwertes und glückliches Leben unabdingbar sind, ist die Wahrheit schützenswert. Die „strikte Zurückhaltung bei berauschenden und bewusstseinstrübenden Mitteln" schließlich dient dazu, die Einschränkung der eigenen Verantwortlichkeit oder gar einen völligen Kontrollverlust zu vermeiden. Abstinenz hilft mit, klaren Geistes zu bleiben, Gewaltausbrüche aus Unbeherrschtheit oder Verwirrung zu verhindern und latentes Aggressionspotenzial nicht zu wecken.
Wer die fünf sila beachtet, gewährt damit anderen Menschen Respekt und persönliche Integrität, Sicherheit und Schutz, Leidfreiheit und Geborgenheit. Und nicht zuletzt wird er selbst diese positiven Qualitäten in seinem eigenen Leben in steigendem Maße erfahren.
Daraus leiten sich als Lernziele ab: Grenzen für das eigene Handeln definieren und begründen zu lernen; gewaltfreien mitmenschlichen Umgang einzuüben und zum Standard werden zu lassen; sowie verschiedene Dimensionen und Ausdrucksformen von Gewaltsamkeit unterscheiden zu können.
Friedensfähigkeit (in einer akuten Situation) und (dauerhafte) Gewaltunfähigkeit sind zwei verschiedene Dinge. Letztere ist nur möglich, wenn Gewaltfreiheit tief in unseren geistig-seelischen Strukturen verankert ist. Das setzt eine weitere nachhaltige Wandlung unserer Persönlichkeit voraus. Vier Beispiele sollen erläutern, wie diese Vervollständigung der (Selbst-) Erziehung aussehen kann.
In Alltagssituationen agiert fast jeder spontan und auf eingefahrenen, oft kaum (mehr) bewussten Bahnen. Je nach Milieu gehören auch aggressive Gewohnheitsmuster dazu - von einem ärgerlichen Blick über ein grobes Wort bis zu einer manifesten Handgreiflichkeit.
Bewusstheit und Klarheit hinsichtlich dessen, was da eigentlich passiert, sind ein probates Gegenmittel. Sie entstehen in der Übung der Selbstbeobachtung und führen zu einer umfassenden Prüfung des eigenen Tuns und Lassens. Sie nehmen unsere körperlichen Aktivitäten ins Visier, aber auch, wie wir mit Sprache und Gedanken umgehen. Diese Achtsamkeit umfasst die Zukunft und unsere Pläne, die Gegenwart und unser momentanes Handeln sowie die Vergangenheit, der ein ebenfalls kritischer Rückblick gilt. Wenn ich etwas vorhabe oder gerade etwas tue oder etwas getan habe - wie lautet mein besonnenes Urteil darüber? Stimmt mein tatsächliches Verhalten mit meinen besseren Grundsätzen und meinem besten Wissen überein? Passen die angewandten Mittel zu den gesetzten Zielen? Die Vergegenwärtigung der eigenen Einsichten und Grundsätze lässt uns gerade gefasste Absichten nur dann weiter verfolgen bzw. Handlungen im Nachhinein nur dann positiv bewerten, wenn sie nicht „belastend" sind. Weder für uns selbst noch für andere. In unserem Zusammenhang heißt das: wenn sie kein Aggressions- und Gewaltpotenzial beinhalten.
Eine weitere Notwendigkeit lautet: Verändere die Blickrichtung deiner Wahrnehmung. Sieh die Menschen und die zwischenmenschlichen Kontakte realistisch(er), vorurteilsfrei(er), weniger perspektivgebunden.
Normalerweise nehmen wir unser Umgebung ich-orientiert und interessengeleitet auf. Wir unterscheiden und klassifizieren die Menschen um uns herum nach Geschlecht, Alter, sozialem Status, nach ihrer politischen, weltanschaulichen und religiösen Einstellung. Neben einer solchen allgemeinen Orientierung schwingt aber in aller Regel eine persönliche Bewertung und Einschätzung mit: Er oder sie ist mir ähnlich, stimmt mit mir überein, ist mir sympathisch, nützt mir - oder nicht! Von ihm oder ihr sind Vorteile für mich zu erwarten - oder aber Ärger, Unannehmlichkeiten, Gefahr! Diese (letztlich willkürliche) Perspektive ist maßgeblich dafür, ob jemand mit meiner Zuwendung oder Abwendung und vielleicht sogar Gegenwendung rechnen muss.
Allein eine veränderte Sichtweise wirkt Wunder. Gewaltsamkeit wird der Boden entzogen, wenn meine Aufmerksamkeit weniger auf die Unterschiede zwischen den Menschen und das Trennende gerichtet wird. Die Mitwelt sieht anders aus, wenn wir stattdessen das uns alle Verbindende vor Augen haben: die essenzielle Gleichheit aller empfindenden Wesen; wenn wir uns den universellen Wunsch aller nach Glück und ihr Bestreben klar machen, Schmerz und Unzufriedenheit zu vermeiden. Sie oder er hat im Wesentlichen dieselben Probleme wie ich, sie oder er ist genauso gefangen in Unzulänglichkeit und Unwissen. Eine so empfundene Gemeinsamkeit lässt keinen Raum für Ablehnung und Widerstreit. Eine gefühlte wesensmäßige Identität und Interessengleichheit stiftet unmittelbar Ausgleich und Harmonie.
Nach der buddhistischen Karma-Lehre lässt sich die Welt als „Spiegel" verstehen. Die natürliche Umwelt und die menschlichen Begegnungen sind nur Wiederkehr des eigenen Denkens und Handelns. In Wirklichkeit ist mein „Feind", mein „Gegner", mein „Widersacher" kein Fremder und nichts Fremdes - er konfrontiert mich mit meinem eigenen vergangenen Tun.
Wenn das so ist, worin liegen dann die wahren Gründe, dass mir ein (vermeintliches oder tatsächliches) Übel begegnet? Auf wen könnte sich so gesehen meine Aggression berechtigterweise richten? Weisen die Finger, mit denen ich auf andere deute, nicht auf mich selbst zurück? Und mit Blick auf die Zukunft: Bin ich mir bewusst, dass ich die Saat meiner eigenen augenblicklichen Aggressivität später einmal ernten muss, und bin ich ernsthaft bereit, diese hohe Rechnung ohne Reue zu zahlen? Will ich mir mit meiner jetzigen Gewaltsamkeit wirklich selbst die „Feinde", „Gegner", „Widersacher" kommender Tage schaffen? Soweit uns die Herkunft von „feindlichen" Lebenssituationen und die Gefahr ihrer Fortsetzung und ihrer Verewigung vor Augen stehen, wird Gewalt der Boden entzogen. Niemand kann und wird sich auf Dauer selbst willentlich einen Schaden zufügen.
Denken, Reden und Handeln sind der Ausfluss von bewussten und unbewussten Anliegen und Wünschen, und unsere Mitwelt wird nicht selten zum bloßen Objekt, wenn sie deren Erfüllung verspricht. Sie wird genauso Ziel von Widerstand, Ablehnung und Aggression, wenn sie unseren Absichten im Wege steht oder ihre Verwirklichung unmöglich macht.
Dieser Zwiespalt von Wollen und Bekommen, von Wunsch und Befriedigung birgt jedes denkbare Gewaltpotenzial. Tatsächlicher oder empfundener Mangel führt zu Konkurrenz um (die meist knappen) Güter und Ressourcen. Habenwollen und Habenmüssen führen zu tätlicher Auseinandersetzung und Streit. Je unwiderstehlicher sie sich zeigen, umso größer werden der Drang und die Notwendigkeit der gewaltsamen Erfüllung. Fixiertheit und übermäßige Abhängigkeit von materiellen Bedingungen bedeuten schnell Gewalt und im Extremfall Krieg.
Eine belastbare Friedensfähigkeit basiert daher auf Zufriedenheit und innerem Frieden. Sie wächst mit der zunehmenden Unabhängigkeit von konsumierbaren Dingen und äußeren Gegebenheiten. Jede spirituelle Tradition - und die buddhistische zumal - spricht von der Möglichkeit, aus einer „inneren Fülle" zu leben und mehr Glück in sich zu finden, statt „draußen" vergeblich und mit allen negativen Folgen danach zu suchen. Dieser Reichtum entsteht durch einen entwickelten Geist. Ein harmonischer, in sich ruhender, zufriedener Geist will und kann nicht feindselig sein.
Hieraus ergeben sich schließlich als weitere Lernziele: Sich des eigenen Denkens, Redens und Handelns bewusster zu werden und das eigene Verhalten beobachten zu können; fähig zu werden, den Mitmenschen aus einer nicht-ich-bezogenen Perspektive und als mit mir selbst essenziell gleich wahrzunehmen; in der Lage zu sein, seine Umgebung als Spiegelung des eigenen Charakters und Tuns zu sehen; sowie zu lernen, über materielle Abhängigkeiten hinauszuwachsen und zunehmend aus dem eigenen inneren Reichtum heraus zu leben.