Publik-Forum: "Warum ich Buddhist bin" (2009)

Da war ich doch selbst etwas erschrocken: „Eigentlich bin ich Buddhist!", sagte ich mir. „Und das in einem Land, das von Christentum und Aufklärung geprägt ist. Nach ein paar Semestern evangelischer Theologie zudem!"

Aber diese Einsicht bekam ich damals nicht mehr aus dem Kopf. Im Gegenteil, je mehr ich mich auf die Gestalt des Buddha und seine Lehren einließ, desto sicherer war ich: „Das ist mein Weg."

Dabei fing alles so harmlos an: Erinnerungsfotos mit kunstvollen Pagoden in Nepal, lächelnde Mönche in Birma, erhaben wirkende Buddhastatuen in Thailand - und die Reden des Erwachten im Bücherschrank. Fünf Bände zu Weihnachten 1979. Was ich darin las, blieb lange unverstanden - und war doch vom ersten Moment an ebenso vertrauenserweckend wie vertraut.

So bin ich Buddhist geworden, vor dreißig Jahren - und es geblieben. Warum? Die Gründe sind vielfältig.

Am meisten hat mich beeindruckt, wie klar der Blick des Buddha auf unser Leben ist und tief er reicht. Hier spricht jemand, der hinter die Kulissen des Daseins geschaut hat. Jemand, der selbst völlige geistige Freiheit erreicht hat und anderen den Weg dahin zeigt.

Die buddhistischen Lehren geben mir Zukunftsorientierung und Rat für meine alltägliche Praxis - im Umgang mit anderen Menschen und mit mir selbst.

Drei Felder versuche ich entsprechend zu beackern: das des Wissens, das mir ein besseres Verständnis der Existenz ermöglicht, mir Ziele setzt und Wegweiser ist; das des besseren Miteinanders und Füreinanders, auf dem das soziale und gesellschaftliche Zusammenleben gedeihen soll; und schließlich das der Meditation. Sie lässt mich teilhaben an einer spirituellen Praxis, die sich über die Jahrhunderte bewährt hat, aber in unserer Kultur nur noch ein kärgliches Schattendasein führt.

Außerdem: Für mich finden im Buddhismus Religion und Wissenschaft zusammen. Mir gefällt das prinzipielle Nein des Erwachten zu Dogmatismus und blindem Glauben.

Der Buddha als beispielloser Vertreter einer universellen Wissenschaft des Geistes lädt ein, seine Entdeckungen selbst kennenzulernen und auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Er lädt ein, nicht mehr; und so verhält es sich mit einer Einladung: Man kann sie annehmen oder eben auch nicht. Ist es nicht wohltuend, keinem missionarischen Druck ausgesetzt zu sein, sondern sich von der Sache selbst überzeugen zu lassen?

Buddhist geblieben bin ich aber auch, weil ich deutlich zu unterscheiden gelernt habe zwischen den zeitlosen Wahrheiten des Erwachten und dem Menschlichen und Allzumenschlichen, das später aus ihnen gemacht wurde und wird. Das eine suche ich, mit dem anderen kann ich kritisch und offen umgehen.


Erschienen in Publik-Forum, August 2009, Nr. 15

     
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