Ursache & Wirkung: "Mohammed - Karikaturen" (2006)

 Nachgefragt

„Karikaturenstreit"

Die Veröffentlichung von zwölf Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung hat zu gewalttätigen Protesten in der islamischen Welt geführt. Doch auch westliche Zeitungen glauben in der Auseinandersetzung bereits einen ‚Krieg der Kulturen' erkennen zu können. Sie stellen Presse- und Meinungsfreiheit demokratischer Staaten über den Schutz religiöser Gefühle von Muslimen. Wir haben buddhistische Persönlichkeiten nach ihrer Meinung zu Karikaturenstreit befragt.

Fußball ist ein friedlicher Sport - an sich. Jedenfalls würden das die meisten Spieler und Fans so sehen, und ich kann dem zustimmen - eigentlich. Und doch frage ich mich, wieso es kommt, dass vor und nach dem Spiel auf dem grünen Rasen immer wieder einmal aufgebrachte Hooligans ihren Frust auf ziemlich rabiate Weise ausagieren. Haben wir andererseits schon einmal eingeworfene Scheiben, in Brand gesteckte Autos oder blutende Köpfe nach einem Schachturnier oder am Rande der Weltmeisterschaften im Eistanz gesehen?
Ich weiß natürlich, dass Vergleiche (oft sehr) hinken, und ich versuche im Moment auch lediglich, ein mir wichtig erscheinendes Problem auf den Punkt zu bringen: dass nämlich Religionen - auch wenn sie sich selbst als friedfertig verstehen und ihre Lehren Gewalt ablehnen - eben doch eine unterschiedliche Nähe zu Gewaltsamkeit zu haben scheinen.
Es ist schon auffällig, dass mir unter dem Stichwort Christentum und Islam etliche unrühmliche Beispiele von Gewaltausübung einfallen, während ich bei einigen Religionen Südost- und Ostasiens (Jainismus, Buddhismus, Daoismus, Konfuzianismus) schon länger überlegen muss, auch wenn das Phänomen dort ebenfalls nicht fehlt. Warum? Weil ich auf dem einen Auge blind bin? Oder weil grundlegende Prämissen und Strukturen von Religionen vielleicht doch Gewalt mehr oder eben weniger begünstigen?
Wie würde ein Buddhist reagieren, der den Buddha in Karikaturen oder sonst wie verunglimpft sieht? Die buddhistischen Lehren predigen jedenfalls gewaltsame Reaktionen nicht und sie legen sie auch gar nicht nahe, im Gegenteil: weil Gewalt, die von mir ausgeht, zu mir zurückkehrt; weil der andere, der mir begegnet, doch nur mein eigenes Spiegelbild ist; weil der andere, auch wenn er kritikwürdiges tut, es doch aus Unwissenheit tut und deshalb mein Mitempfinden verdient hat; weil eine friedliche Welt nur aus einem versöhnlichen Geist hervorgehen kann; weil ich und du nicht wirklich Verschiedenes sind. Es lohnt, demgegenüber einmal nachzuspüren, welche (unbeabsichtigten) Fernwirkungen andere religiöse Doktrinen u.U. haben können: etwa die eines strafenden Gottes, die einer objektiven, materiellen Welt, die der Dualität von Geist und Materie, die eines rigiden Absolutheitsanspruches, die eines forcierten Missionsauftrages ...

 

 

Frage von Prof. Dr. Peter Riedl
erschienen in Ursache & Wirkung. Buddhistische Aspekte, Nr. 1/2006


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