Stern: "Meditation als Medizin" (1998)


Führende Ärzte wagen ein Experiment: Althergebrachte geistige Übungen und neuentwickelte „Body-Mind-Techniken" sollen ihren Patienten im Kampf gegen Krankheit Kraft geben. Mit Dabei: der Dalai Lama.

Selten hat sich Professor Epstein so über seinen Sohn gewundert, wie in dem Urlaub, von dem er gerade zurückkehrt. Der Elfjährige weigerte sich schlichtweg, mit an den Strand zu gehen. Er sei kurz davor, eins zu werden mit seinem Kopfkissen. Zuvor dürfe er auf keinen Fall abgelenkt werden. „Ich weiß genau, wie das kam", sagt Epstein, „der Dalai Lama ist schuld."

„Seine Heiligkeit" hat Epstein, einen weltberühmten Kinder- und Jugend-Neurochirurgen, kürzlich in Beth Israel Medical Center besucht. Prominente Hirnforscher und Ärzte trafen sich mit dem Friedensnobelpreisträger, um über die „medizinische Wirkungen fortgeschrittener Meditation" zu diskutieren ...

Carsten Graaf ist Vorstandsmitglied der Volksbank Düsseldorf-Meerbusch. Er fand über das autogene Training, eine bewährte Entspannungstechnik, zur Meditation und zu einem neuen Glauben ... Dennoch kann praktisch jeder Meditation erlernen, meint Graaf, allerdings nicht im Alleingang: „Die Vielzahl der Meditationsbücher ist frustrierend. Der Anfänger kann nicht wissen, was gut ist. Meine Erfahrung ist: Ohne einen Lehrer kommen Sie nicht weiter. Ich kann nur davor warnen."

Alfred Weil, der Vorsitzende der Deutschen Buddhistischen Union, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter von SPD-Europaabgeordneten teilt Graafs Einschätzung: Wenn ich Versprechungen höre, auf diese oder jene Art ginge es schnell und problemlos, dann ist das für mich schon ein Grund zu sagen: Laß es sein. Es gibt keine Instant-Lösungen. Wer sich im Leben auf seinem Weg verirrt, muß bis zum falschen Abzweig ganz zurückgehen. Abkürzungen gibt es nicht." ...

... „Ich meditiere seit 15 Jahren und habe manchmal das Gefühl, dass ich jetzt erst richtig anfange zu üben. Wer ernsthaft meditieren möchte, muß sich einen Lehrer suchen. Denn gelegentlich können Geisteszustände auftreten, die wir Westler nicht einmal erahnen - und es ist ein Irrtum zu glauben, es sei ein Fortschritt, wenn man irgendwelche Visionen hat. Meditation ist erhöhte Aufmerksamkeit für das, was wirklich ist."

Text Christoph Koch/Henry Dreher/Georg Wedemeyer
Erschienen in Stern Nr. 28 - 9.7.1998

 

      
 

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